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Liebe als Erfolgsgarant

Petra Jansen und Petra Kunze: Liebe als Erfolgsgarant
Petra Jansen und Petra Kunze

Liebe als Erfolgsgarant

In einer liebevollen Atmosphäre ändert sich auch in der Schule die Sicht auf „Leistung“ und „Erfolg“

Schon 1953 schrieb der Psychologe Kurt Lewin, dass der Unterrichtserfolg von der Atmosphäre abhängt. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Eine Atmosphäre, in der ein übermäßiger Leistungsdruck und Angst herrschen, ist alles andere als leistungsfördernd und erfolgversprechend. Dagegen kann eine positive, annehmende und liebevolle Atmosphäre die Motivation und die Leistung gleichermaßen fördern. 

Wie lässt sich eine solche Atmosphäre der Liebe aufbauen? Dafür sind in erster Linie wir als Lehrende und Eltern zuständig. Wir müssen in einem ersten Schritt eine liebevolle Haltung zu uns selbst aufbauen, die geprägt ist von Selbstakzeptanz und Selbstmitgefühl als den zwei Facetten der Selbstliebe. Erst wenn wir beispielsweise mithilfe der Achtsamkeit unsere eigenen Emotionen kennenlernen und annehmen, können wir echtes, wertfreies Mitgefühl (nicht Mitleid) mit anderen als Ausdruck der Liebe entwickeln. Das hilft uns auch dabei, anderen Menschen, den uns anvertrauten Kindern, Schülerinnen und Studierenden, offen und freundlich zu begegnen. Wenn uns das gelingt, können wir eine liebevolle Atmosphäre schaffen und auch den Heranwachsenden diese Fähigkeiten vermitteln. 

„Vergiss den Titel“: Ein Beispiel aus dem Basketball

Wie Liebe zum Kompass für Erfolg und gegen Leistungsdruck werden kann, zeigt das Beispiel eines der bekanntesten Trainers der amerikanischen Basketball-Profiliga NBA, Phil Jackson. Er nennt drei Aspekte, die für ihn als Trainer wesentlich sind: 

Kontrolle abgeben, 
dem Moment vertrauen und 
mit Mitgefühl leben
 

Phil Jackson hebt sich von seinen Kolleginnen und Kollegen dadurch ab, dass er seine Arbeit in die Liebe einbettet, ohne dabei auf Leistung zu verzichten. Dafür formuliert er elf Trainingsprinzipien, die auch für unser Bildungssystem von Bedeutung sein können. Angelehnt an seine „Eleven Rings“ (Jackson und Delehanty, 2014) könnten sie folgendermaßen lauten: 

Prinzip 1 – Coache von innen heraus 
Wir brauchen Lehrende, die mit ihrem Herzen verbunden sind. Denn wer Menschen führt und begleitet, wer Sportler coacht, wer Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene unterrichtet, soll dies aus ihrem Inneren, aus ihrem Herzen heraus tun. 

Prinzip 2 – Nimm dein Ego zurück 
Das eigene Ego von Lehrenden ist oftmals groß. Sie haben manchmal das Gefühl, viel Macht zu haben und alles zu wissen. Doch sie sollen dieses Ego nicht überbewerten, es nicht erhöhen, sondern es zurücknehmen und bescheiden bleiben. 

Prinzip 3 – Lass jede und jeden ihre bzw. seine
eigene Bestimmung finden 
Lehrende sollen diejenigen, die sie unterrichten, nicht durch ihre eigene Brille sehen und ihnen ihre eigenen Erwartungen überstülpen, sondern sehen, was die jungen Leute mitbringen, und hier mit der Förderung ansetzen. 

Prinzip 4  – Lass jeder und jedem genügend Freiheit 
Phil Jackson hat das Basketballspielen so weiterentwickelt, dass jede Spielerin die Freiheit hat, kreativ auf die jeweilige Situation zu reagieren, ohne Hunderte Spielpositionen auswendig zu lernen. Für die Bildung bedeutet das: In jedem Menschen, den wir unterrichten, muss die Kreativität geweckt und gefördert werden, es kann nicht um das sture Auswendiglernen gehen, jede muss ihren eigenen Weg finden. 

Prinzip 5 – Verwandle das Alltägliche in das Besondere 
Ein Ausspruch von Phil Jackson lässt sich in etwa so übersetzen: „Gott hat mich auserwählt, diese jungen Männer zu trainieren, und ich umarme die Rolle, die mir gegeben wurde.“ Wenn jede ihre Rolle, die sie in der Welt einnimmt, akzeptiert, dann wird sie sich bei ihrem Tun als Werkzeug der Liebe verstehen – und das Alltägliche wird zum Heiligen. 

Prinzip 6 – Ein Atem – ein Geist 
Phil Jackson hat seine Spieler gelehrt, mithilfe von Achtsamkeitsmeditation ihren unruhigen Geist zu beruhigen und sich auf das zu fokussieren, was im Moment wichtig ist. Auch in der Bildung spielt die Fähigkeit, im Moment wirklich präsent zu sein, eine bedeutende Rolle. Deshalb sollte sie im Lehrplan stehen. 

Prinzip 7 – Der Schlüssel zum Erfolg ist Mitgefühl 
Einfachheit, Geduld und Mitgefühl sind essenzielle Werte, die vermittelt werden sollten. Insbesondere die Fähigkeit zu Mitgefühl kann Barrieren überwinden. 
Mitgefühl ist ein zentraler Schlüssel, um andere Menschen mit allem, was sie mitbringen, zu verstehen, auch wenn sie aus anderen Kulturkreisen stammen. 

Prinzip 8 – Konzentriere dich auf den Geist, 
nicht auf den Spielstand 
Mit der richtigen geistigen Haltung, also wenn die Spieler durch die gleichzeitige Konzentration auf das Spiel miteinander verbunden sind, können sie gewinnen und ein Spiel kann sich zu ihren Gunsten wenden. Auch im Bildungssystem zählen Konzentration und innere Haltung der Beteiligten sowie die Atmosphäre im Unterricht zu den Erfolgsgaranten. Für beides ist eine Fokussierung auf das Leistungsziel erst einmal gar nicht so wichtig. 

Prinzip 9 – Manchmal musst du Grenzen aufzeigen 
Ein Coach muss seine Spieler auch an ihre Grenzen bringen und ihnen manchmal auch Grenzen setzen. Denn nur, wer seine Grenzen kennt und an sie stößt, kommt weiter und hat die Chance, sie zu überwinden. 

Prinzip 10 – Wenn du zweifelst, tu nichts 
Es gibt Situationen, in denen wir nicht sicher sind, ob das, was wir als Nächstes machen wollen, richtig ist. Wenn solche Zweifel auftreten, empfiehlt Phil Jackson, nicht direkt zu agieren, sondern zurückzutreten und vertrauensvoll abzuwarten, was kommen wird. 

Prinzip 11 – Vergiss den Titel 
Die Fixierung auf den Sieg ist ineffektiv, weil man dadurch die Kontrolle über das Spiel zu verlieren droht. Im besten Fall erwirbt jede die optimalen Voraussetzungen, um erfolgreich zu sein, und fokussiert sich auf den Weg, nicht auf das Resultat. So kann jede mit ihren besten Möglichkeiten den Wettkampf bestreiten. 
„Für einen NBA-Titel braucht man Talent, Kreativität, Intelligenz, Härte, aber auch Glück. Doch wenn ein Team das Wichtigste nicht hat – nämlich die Liebe –, dann spielt auch keiner der anderen Faktoren eine Rolle!“ 

 

Dieser Text ist erschienen in der Zeitschrift „Mit Kindern wachsen“, Ausgabe: Heft Januar 2020 und  stammt aus dem Buch „Bildung braucht Liebe“ von Petra Jansen und Petra Kunze, das im Arbor Verlag erschienen ist. 


 

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