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Wie uns Achtsamkeit im Umgang mit Angst helfen kann

Wie uns Achtsamkeit im Umgang mit Angst helfen kann: Licht & Schatten im Wald
Lizabeth Roemer im Gespräch mit Jonathan Kaplan

Wie uns Achtsamkeit im Umgang mit Angst helfen kann

Ein Interview

Vor Kurzem erschien ein wunderbares Buch, das Menschen helfen möchte, die unter Angst leiden.

Der achtsame Weg durch die Angst von Susan Orsillo und Lizabeth Roemer bietet einen systematischen, achtsamkeitsbasierten Ansatz zur Überwindung von Angst und der Förderung eines wertgemäßen Lebens. Aufgrund der vielen Übungen und Fallbeispiele empfehle ich dieses Buch oft meinen Patienten. Es reflektiert auch die auf Forschung basierende Behandlung, die Orsillo und Roemer im Laufe der Jahre entwickelt haben. Ich hatte das Glück, mit Lizabeth Roemer sprechen zu können – im Folgenden finden Sie einen Auszug aus unserem Gespräch.

Was hat Sie dazu veranlasst, dieses Buch zu schreiben?

Nachdem wir viele Jahre damit verbracht hatten, diesen Behandlungsansatz zu entwickeln und ihn an Therapeuten weiterzugeben, wollten wir unsere Arbeit mit den Menschen teilen, die nicht in therapeutischer Behandlung sind. Wir wollten vielen Menschen ermöglichen, die sinnvollen Veränderungen zu erfahren, die wir bei unseren Klienten sahen und wir hatten das Gefühl, das wir ein Buch schreiben könnten, das eine wertvolle Ergänzung zu den schon erhältlichen Selbsthilfebüchern ist.

Warum verwenden Sie Achtsamkeit in der Arbeit mit Angstsymptomen? Warum sollte jemand die Angst, die Furcht und andere unangenehme Emotionen noch bewusster erfahren?

Ein wichtiger Aspekt der Achtsamkeit liegt darin, dass es eine bestimmte Art des Gewahrseins ist. Es ist ein erweitertes Gewahrsein, kein eingeengtes. Die meisten Menschen mit Angst fokussieren sich zu eng auf die Dinge, die für sie furchterregend oder angstauslösend sind, sie sind sich nicht ihrer ganzen Erfahrung bewusst. Achtsamkeit ist auch ein mitfühlendes Gewahrsein, im Gegensatz zu dem sehr engen, kritischen Gewahrsein, das mit Angst einhergeht. Angst bringt die Menschen dazu, sich übermäßig der Bedrohungen bewusst zu sein und das führt zu Vermeidung. Diese Vermeidung verhindert das Erlernen neuer Fertigkeiten und die volle Erfahrung des Lebens.

Wie unterscheidet sich Ihre Behandlung von einer rein kognitiven Verhaltenstherapie (CBT)?

Die kognitive Verhaltenstherapie ist eine sehr effektive Behandlung bei Angst und unser Ansatz beruht sehr stark auf der kognitiven Verhaltenstheorie und Praxis. Wir haben begonnen, Achtsamkeit in diesen Ansatz zu integrieren, weil wir dachten, es könnte für einige Menschen die Wirkung der Behandlung verstärken. Durch die Kultivierung von Akzeptanz ermöglicht Achtsamkeit einigen Menschen anders mit Erfahrungen umzugehen, die nicht so leicht zu verändern sind. Aber letztendlich ist die Methode nicht so wichtig wie die Wirkung. Unser Hauptschwerpunkt liegt darauf, Menschen zu helfen, sich anders auf ihre Angstsymptome zu beziehen, damit sie ihr Leben erfüllter leben können. Wir denken, dass Achtsamkeit uns ermöglicht, dieses Ziel mit der CBT besser zu erreichen.

In Ihrem Buch sind auch verschiedene Meditationen enthalten. Was raten Sie Menschen, die Ihnen sagen, dass sie nicht meditieren können?

Wenn Meditation einfach wäre, dann hätten Sie es schon getan! Das Wichtige bei diesen Übungen ist die Kultivierung dieser neuen Fertigkeit der Achtsamkeit, die wir durch Praxis erlernen können – wie jede andere Fertigkeit. Und wir arbeiten mit vielen Methoden, um diese Fertigkeit zu kultivieren. Die meisten Menschen können sich fünf Minuten Zeit nehmen, um sich hinzusetzen und Achtsamkeit zu üben. Eine gewisse Zeit in unserem Leben zu reservieren, um Achtsamkeit zu üben, ermöglicht uns, dieses achtsame Gewahrsein besser in unserem Leben anzuwenden. Wir haben auch mit Menschen gearbeitet, die bei alltäglichen Aktivitäten mit Achtsamkeit üben, wie beim Zähneputzen oder beim Zusammenlegen der Wäsche, statt dass sie eine besondere Zeit reservieren. Das Buch gibt flexible Empfehlungen für verschiedene Möglichkeiten, um die Praxis in unser Leben zu integrieren.

Im Zusammenhang mit dem Thema meines Blogs Urban Mindfulness (dt. Achtsamkeit in der Stadt) möchte ich fragen, ob Sie feststellen konnten, dass Menschen in der Stadt mehr oder weniger Angst empfinden als andere?

Ich habe lange Zeit am State College in Pennsylvania und nun seit einiger Zeit in Boston gearbeitet. Ich habe festgestellt, dass das Leben der Menschen in der Stadt komplizierter ist. Die Menschen begegnen mehr realen Lebenshindernissen und Stressauslösern, die natürlicherweise zu Angst führen können, wie die schnelle Geschwindigkeit des Lebens. Und damit geht auch einher, dass es in der Stadt schwerer ist, achtsam zu sein. Es ist schwerer, den natürlichen Raum und die Momente zu finden, um zu uns selbst zurückzukommen. Wir müssen eine stärkere Absicht aufbringen.

Möchten Sie noch etwas hinzufügen?

Ja. Ich möchte die Bedeutung der Teilnahme am Leben ansprechen. Ein entscheidender Teil des Buches – neben den Möglichkeiten, ein offenes und weiteres Gewahrsein zu kultivieren und mit unseren Erfahrungen anders umzugehen – ist das Finden sinnvoller Erfahrungen im Leben. Die Angst bringt uns dazu, uns auf das zu fokussieren, was bei uns Angst auslöst und es zu vermeiden. Die Menschen vermeiden bestimmte Erfahrungen, um sich nicht ängstlich zu fühlen und das funktioniert nicht wirklich.

Eine Alternative dazu besteht darin, die Fertigkeiten der Achtsamkeit zu entwickeln und Angstreaktionen zu spüren, aber nicht darauf zu reagieren. Und dann die Dinge zu tun, die uns wichtig sind, zum Beispiel uns in einer Beziehung zu öffnen, Zeit mit unseren Kindern zu verbringen oder uns beruflich weiterzuentwickeln. Es ist ein Weg auf die Angst zu reagieren, dessen Ziel ein erfülltes Leben ist.

Was möchten Sie tun und leben, wovor Sie bisher aufgrund Ihrer Angst zurückgeschreckt sind? Können Sie die Angstreaktionen spüren und trotzdem das tun, was Ihnen wichtig ist? Das Buch hilft den Menschen, die Fertigkeiten zu entwickeln, damit sie ihr Leben erfüllter leben können.