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Vater sein 

Mit Kindern wachsen Leseprobe Leo Babauta: Vater sein
Leo Babauta

Vater sein 

Die Unsicherheit durch Liebe überwinden

Vater sein ist vertrackt… nicht nur weil ständig etwas verschüttet wird, Geschirr zerbricht, die Küche immer dreckig ist und mit Fingerfarben bemalte Wände wieder sauber gemacht werden müssen, sondern weil nichts jemals nach Plan läuft.

Es ist vertrackt, weil Sie mit den besten Absichten starten und hoffen, ein toller, liebender, perfekter Vater zu sein. Und dann geht alles schief. Worte werden gesagt, die Gemüter erhitzen sich, Gefühle werden verletzt, sie sind wütend aufeinander. Kinder entwickeln sich nie nach Plan, und Ihr Leben auch nicht. Sie haben eine ganz bestimmte Erwartung und was erhalten Sie stattdessen? Ein wunderbares Chaos. Und ich liebe das Chaos, das ich bekommen habe.

Ich hatte nie geplant, Vater von sechs Kindern zu werden. Zwei Kinder bekam ich mit meiner ersten Frau, und ich liebe sie sehr. Ich heiratete meine zweite Frau und „erbte“ zwei weitere Kinder, die ich von ganzem Herzen liebe. Wir bekamen zwei weitere Kinder, und ich liebe sie alle so sehr, dass ich völlig überwältigt bin, wenn ich mich diesem Gefühl hingebe.

Vater sein hat mit Unsicherheit zu tun

Sie „erschaffen“ ein Kind, und dann werden Sie von Unsicherheit überwältigt, weil Sie nicht wissen, wie das alles geht. Sie wissen auch nicht, wie sich Ihre Kinder entwickeln werden, und Sie wissen auch nicht, was zum Teufel Sie da eigentlich tun. Plötzlich sind Sie am Ball und Sie stehen unter Druck: nicht nur, weil Sie Ihr Kind versorgen müssen oder weil Sie ein zerbrechliches menschliches Wesen am Leben erhalten müssen, sondern weil Sie sein Vorbild sein müssen. Und kein Kind kommt mit einer Anleitung auf die Welt.

Probleme tauchen auf: Z.B. wird ein Kind in der Schule geärgert oder gar gemobbt, oder es weiß nicht, was es tun soll, es kämpft mit Langeweile oder sucht seinen Platz… und Sie haben keine Antwort auf all diese Fragen. Sie versuchen, Ihr Bestes zu geben, aber letztendlich wissen Sie nichts. Unsicherheit macht sich breit.

Diese Unsicherheit kann Sie regelrecht in Angst und Schrecken versetzen. Sie spielen ja nicht nur ein Videospiel, sondern es handelt sich um echte Lebewesen, die Ihnen anvertraut wurden. Ihr Herz quillt über vor Angst und Unsicherheit, aber Sie wollen sich nicht eingestehen, dass Sie Angst haben.

Wie können Sie diese Unsicherheit überwinden?

Die Art des Vaters ist die Suche nach Sicherheit: eine Lösung finden, feste Abmachungen treffen, ein System erarbeiten, ihnen eine Methode beibringen, Listen erstellen, alles im Griff haben. Doch dies bleibt alles Illusion: Denn trotz all Ihrer Systeme und Methoden haben Sie immer noch keine Ahnung. Die Unsicherheit ist immer noch da.

Der einzige Weg, die Unsicherheit zu überwinden, ist die Liebe. Vater zu sein hat mit Unsicherheit zu tun, aber auch mit Liebe. Sie schlottern vor Angst, und dennoch gehen Sie durch all dies hindurch, weil Sie Ihre Kinder über alles lieben. Diese Liebe überwältigt sie. Sie tun alles, was Sie können, für Ihre Kinder – trotz aller Ängste, inmitten aller Unsicherheit –, weil Sie sie lieben.

Spüren, dass Sie nicht allein sind

Auf dieser unsicheren Reise werden Sie von der liebenden Mutter (oder Müttern) begleitet, die außergewöhnlich ist und die die Hauptlast der Sorgen, des Chaos und der Unsicherheit trägt. Sie haben auch die liebenden Großeltern, Tanten und Onkel an Ihrer Seite und viele andere Menschen, die diese Kinder durch ihr Leben begleiten und Ihnen helfen, Ihre Unsicherheit zu überwinden. Die Liebe all dieser wunderbaren Menschen stärkt Sie.

Schließlich werden sie groß, sie werden erwachsen, die Unsicherheit wird jedoch stärker. Sie wissen nicht, wie sie ihr Leben meistern werden, aber Sie wissen, dass sie außergewöhnlich sein werden, da sie durch Ihre Liebe in diesen unergründlichen Tiefen Halt finden werden. 

 

Leo Babauta, Autor mehrerer Bücher und Vater von sechs Kindern, lebt in den USA. Sein Blog ZenHabits, auf dem er U. a. über Minimalismus schreibt, hat eine Million Leser.

 

Erschienen in der Zeitschrift „Mit Kindern wachsen“, Ausgabe: Heft April 2018