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Sich selbst beruhigen

Julia Grösch: Sich selbst beruhigen
Julia Grösch

Sich selbst beruhigen

Eltern zu sein und ein Baby zu begleiten ist in vielen Momenten ein Übungsweg, auf dem wir lernen, einander auch ohne Worte zu verstehen


Nach und nach lernen Eltern die vielen kleinen Signale kennen und manches fügt sich zu einem Bild zusammen. Manchmal schauen wir unser Kind nur an und haben intuitiv ein Gefühl dafür, wie es ihm geht und was es jetzt braucht. Damit sich dieses feine Zusammenspiel entwickeln kann, brauchen wir gemeinsame Zeit, Geduld und Vertrauen.

Immer wieder werden Situationen entstehen, in denen wir nicht verstehen, was eigentlich los ist, und in denen wir nicht wissen, was wir jetzt machen sollen. Auch gibt es Babys, die es ihren Eltern einfach etwas schwerer machen und die sich nicht leicht trösten lassen. Wenn Babys manchmal ihren Schmerz und ihre Frustration ausdrücken, bedeutet das nicht, dass sie ihre Eltern beschuldigen oder ärgern wollen. 

Wenn es in uns eng wird, wenn Stress aufkommt oder wenn wir krampfhaft nach Lösungen suchen, kann es schnell passieren, dass wir unser Kind oder uns selbst anklagen. Möglicherweise sind wir frustriert, ängstlich oder ärgerlich, fühlen uns unzulänglich oder der Situation nicht gewachsen. 

Weite schaffen

Wir können unserem Baby helfen, Schmerz und Frustration zu bewältigen, wenn wir einen Weg kennen, wie wir uns selbst beruhigen können. Es ist menschlich und völlig normal, dass auch wir Ärger und Frustration empfinden, wenn unser Baby frustriert oder ärgerlich ist. Dies zeigt, dass wir auf einander eingestimmt sind, dass wir Schmerz und Frustration nachfühlen und uns in unser Kind einfühlen können. Nur wenn wir überhaupt bemerken, dass unser Kind frustriert ist, werden wir versuchen, es zu trösten oder seinen Schmerz zu lindern.

Achtsamkeitsübungen können uns helfen, in schwierigen Situationen innerlich Raum zu schaffen, uns selbst zu beruhigen und uns zu trösten, damit wir unserem Kind Ruhe und Trost schenken können. Wir können uns nach und nach mit Übungen vertraut machen und uns von ihnen in unserem Elternsein tragen lassen.


ÜBUNG: Sich getragen fühlen

  • Komm auf eine Decke oder Matte auf dem Boden.
  • Wenn du magst, kannst du dich ein wenig recken, strecken oder räkeln, bis du eine bequeme Position gefunden hast. Du kannst auf dem Rücken oder auf der Seite liegen, ganz wie du magst. Du musst nichts tun, auch nicht entspannen. 
  • Wenn dir das angenehm ist, nimm zunächst ein paar tiefe Atemzüge. Du kannst auch einmal seufzend ausatmen und zulassen, dass sich Spannungen lösen. Du musst aber nichts tun. 
  • Bemerke nur, wie der Atem ganz von selbst ein- und ausfließt. Dabei kannst du vielleicht spüren, wie sich die Bauchdecke hebt und senkt, wie sich der Brustkorb weitet, oder du spürst der feinen Empfindung nach, die der Atem an der Nasenöffnung hinterlässt.
  • Komm mit der Aufmerksamkeit nun zu den Berührungspunkte der Füße mit dem Boden. Spüre, wie deine Füße aufliegen und dass sie getragen sind. Wandere langsam mit deiner Aufmerksamkeit zu deinen Unterschenkeln, deinen Oberschenkeln und spüre, wie deine Beine als Ganzes getragen sind.
  • Wandere mit deiner Wahrnehmung nach und nach weiter durch den ganzen Körper. 
  • Welche Stellen liegen schwer auf, wo bemerkst du eine leichte Berührung mit dem Boden, an welchen Stellen ist Raum zwischen dem Körper und dem Boden?
  • Nimm dann deinen Körper als Ganzes wahr. Nimm wahr, wie du liegst, getragen und gehalten wirst. Lass deinen Körper am Boden ruhen. Erzwinge nichts.
  • Wenn du magst, kannst du die Hände nun an eine Stelle am Körper legen, an dem dir das gut tut.
  • Liege so für ein paar Minuten, sicher, getragen und gehalten.
  • Beende die Übung ganz in deinem Tempo.

 

Dieser Text ist erschienen in der Zeitschrift „Mit Kindern wachsen“, Ausgabe: Heft Oktober 2020.