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Offen für den Augenblick

Offen für den Augenblick: Kinder Huckepack
O. Fred Donaldson

Offen für den Augenblick

Über die Kunst des Spielens

Als ich anfing mit kleinen Kindern zu spielen, wusste ich überhaupt nicht, was ich da tat. Ich legte mich einfach zu ihnen auf den Boden, beobachtete sie und hörte ihnen zu. Ich nahm wahr, dass ihre Bewegungen nicht zufällig oder chaotisch waren, sondern eine gewisse Eleganz hatten. Sie waren der sichtbare Ausdruck einer unsichtbaren Anmut. Ihre Hände griffen nicht fest zu und klammerten sich nicht an anderen fest. Ihr Streicheln schien von einer entspannten Leichtigkeit zu sein. Sie umarmten sich, während sie ineinander rannten und übereinander wegrollten. Ich spürte, dass sie Ruhepausen einlegten, die so kurz waren, dass sie praktisch gar nicht auffielen. Mit schnellen Blicken, einem kurzen Lächeln und Berührungen ihrer offenen Hände luden sie mich ein mitzuspielen.

Ein Spielgefährte bringt uns nichts bei

Die Behutsamkeit, die sie mir offensichtlich entgegenbrachten, war aufrichtig. Ich wollte ihr Spiel nicht stören oder stoppen, deswegen unterdrückte ich den Drang, zu reden oder Fragen zu stellen. So konnte ich mir von ihnen die Richtung weisen lassen und ihnen folgen. Meine Versuche, ihnen nachzueifern, lösten viel unverblümtes Lächeln aus, das jedoch nicht herablassend war. Mir wurde klar, dass spielen lernen mehr erforderte als Einsicht und Nachahmung.

Spiel entspringt den vorbewussten Eingebungen, an denen unser ganzes Wesen beteiligt ist. Als solches ist es nicht anstrengend, sondern voller Anmut, nicht moralisch, sondern eine Vision. Ein Spielgefährte bringt uns nichts bei, sondern lässt uns teilhaben an einer Präsenz. Er predigt keine Lehrsätze, sondern bringt uns das Geschenk der Freundlichkeit. Er bemüht sich nicht, anmutig zu sein, sondern spielt einfach mit irgendeinem der abertausenden von Wesen und Dingen, in denen sich diese Anmut offenbart – das kann ein Kind sein, ein Delphin oder ein Schmetterling.

Und wenn wir diese Anmut bewusst wahrnehmen, fühlen wir uns zugehörig und wissen, wir sind unendlich wertvolle Geschöpfe. Dann können wir uns vorstellen, dass wir an der Schöpfung des Universums beteiligt sind.

Sich im Einklang mit allem bewegen, was uns umgibt

Wir müssen mit dem Wesen spielen, das mit uns zusammen ist. Die Weisung des Zen, uns von ganzem Herzen und mit wachem Geist spontan auf das zu beziehen, was das Leben uns bringt, heißt den Weg des Spielens gehen. Jede Lebensform spielt ihrer eigenen Natur gemäß, und dieses individuelle Spiel birgt ein universelles Verstehen. Die Form und Energie meines individuellen Spiels ist lediglich ein Spiegel der universellen Seele in ihrer besonderen Ausprägung.

Bei einem Tai Chi-Workshop in Esalen stand ich einmal auf den Klippen und beobachtete die grauen Wale, die Richtung Süden nach Baja schwammen, die Ottern, die sich im Seetang tummelten, und die Chrysippusfalter, die zwischen den Bäumen flatterten.

Chungliang Al Huang hatte gesagt, wenn wir uns im Einklang mit allem, was uns umgibt, bewegen, könnte es sein, dass sich ein Schmetterling auf uns niederließe. In einer Pause zwischen unseren Sitzungen nahm ich mein bokken (ein hölzernes Schwert) mit hinaus auf den Rasen und machte Tai Chi und Aikido. Ein Schmetterling landete auf der Spitze des Schwerts und blieb auch dort sitzen, als ich das Schwert durch die Luft hieb. Dann glitt er nach unten und spazierte auf meinem Arm auf und ab. Ich legte das bokken hin und machte mit dem Schmetterling Tai Chi. Er blieb den ganzen Nachmittag bei mir, flog von mir zu Hillary und Al und wieder zu mir zurück. Al mit dem Schmetterling zu sehen, hieß wirklich erleben, wie zwei Wesen sich bewegten, als wären sie eins.

Etwas immer wieder „zum ersten Mal” erleben

Unser Spiel mit einem ganz gewöhnlichen Schmetterling offenbarte uns die Anmut des Ganzen, in dem alles miteinander verbunden ist und zusammen schwingt. Nicht nur, dass ein Schmetterling und ich zusammen spielten; eine Zeitlang verschwanden die Barrieren zwischen mir und anderen. Freundlichkeit bezeugte die Kraft einer Liebe, die jenseits der künstlichen Produkte der Gesellschaft und der Spezies existiert. Durch Spiel bekommen wir Zugang zu Freundlichkeit, die Spielgefährten Kräfte verleiht, welche über gesellschaftliche Stärken hinausgehen.

Spielen heißt etwas immer wieder „zum ersten Mal“ erleben. Der Satz „Ein guter Künstler empfindet die Arbeit immer wieder neu“, gilt nicht nur für Pablo Casals und Arturo Toscanini, sondern auch für Spielgefährten. Das Japanische hat dafür die Worte Ichigo, ichie, was soviel bedeutet wie „eine Zeit, ein Zusammentreffen“.

Ich spiele nie mit demselben Spielgefährten zweimal. Das ist viel schwerer, als es scheint. Es bedeutet, ich muss bereit sein, alle vorgefassten Ideen aufzugeben, um mit Demut zu folgen, wo auch immer ich hingeführt werde. Das gilt sowohl für Kinder, denen ich zum ersten Mal begegne, als auch für die, mit denen ich täglich spiele.

Ich spielte nicht mit Etienne, sondern mit der, die sie gewesen war

Etienne brachte mir gleich zu Beginn unseres gemeinsamen Spielens eine wichtige Lektion bei. Sie, Anthony und ich spielten überall in Haus und Garten. Als wir uns eines Tages draußen auf dem Rasen vor dem Haus befanden, lief sie mitten aus dem Spiel weinend ins Haus. Ich dachte, sie habe sich vielleicht körperlich verletzt, also folgte ich ihr. Es stimmte, sie war verletzt, aber nicht körperlich. Als ich sie fragte, was nicht stimme, sagte sie: „Du spielst mit mir anders als mit Anthony.“

Zuerst wusste ich nicht, was sie meinte. Dass ich mit ihr nicht so viel Körperkontakt hatte wie mit Anthony? Nein, das war es nicht. Sie hatte das Gefühl, dass ich beim Spielen nicht auf sie einging. Ich war nicht präsent für sie. Ich spielte nicht mit Etienne, sondern mit der, die sie gewesen war, mit der, von der ich dachte, dass sie es sei. Ich lerne diese Lektion ständig.

Ich muss mit der Person spielen, die vor mir steht; nicht mit der, mit der ich gestern spielte oder mit der ich spielen will, sondern mit der, die tatsächlich anwesend ist. Ich lese keine Krankenberichte oder Akten und auch keine Fachliteratur über Kinderkrankheiten. Wenn es um die Kategorisierungen geht, die Erwachsene Kindern überstülpen, damit sie gesellschaftlichen Anforderungen genügen, bleibe ich möglichst unwissend. Ich spiele mit der Person, nicht mit ihrer Krankheit, Behinderung oder Gesellschaft.

Bei jeder Begegnung völlig präsent sein

Ich begegnete Angel, einem autistischen Mädchen mit Down-Syndrom, zum ersten Mal an einem sonnigen Nachmittag auf dem Rasen des Spielplatzes einer Schule in Kalifornien. Als ich um die Ecke des Schulgebäudes bog, sah ich Angel mit gekreuzten Beinen vor einer Betonwand sitzen. Sie schaukelte ihren Oberkörper vor und zurück. Mit ihrer halb geschlossenen Hand und kurzen, schnellen Bewegungen streichelte sie sich ihre rechte Wange. Ihre Augen rollten herum, als erfassten sie ihre ganze Umgebung, ohne jedoch wirklich etwas oder jemanden aufzunehmen und hereinzulassen.

Unser Spiel sollte gewöhnlich und besonders zugleich sein. Besonders, was die einzigartige Beziehung zwischen Fred und Angel betraf. Gewöhnlich für Erwachsene, die sie selbstverständlich hinnehmen und ihre Wichtigkeit nicht verstehen, und für Kinder, weil sie gar nicht anders spielen können.

Bei der Erinnerung an meinen ersten Kontakt mit Angel fällt mir auf, dass es mir all die Jahre, die ich bereits mit Kindern, Delphinen, Bären und Wölfen spiele, nicht leichter gemacht haben. Einerseits „weiß“ ich, dass ich niemals mit ein und derselben Spielgefährtin zweimal spiele, sondern immer zum ersten Mal. Vielleicht bin ich unsicher, weil ich weiß, dass ich nicht kontrollieren kann, was gleich geschieht. Vielleicht auch, weil ich weiß, dass ich bei der bevorstehenden Begegnung völlig präsent sein muss. Vielleicht verunsichert mich aber auch das Gefühl, gleich einer Meisterin zu begegnen. Ich frage mich, ob ich bereit dafür bin. Was, wenn sie nicht mit mir spielt?

Wir werden eine Brücke bauen

Mein ganzes Training rast mir durch den Kopf, als müsse ich sofort den richtigen Schritt finden. Nicht, dass ich mich an das erinnern müsste, was ich weiß. Dieser Prozess ist viel subtiler und kraftvoller.

Ich kann nichts von alledem, was ich bin, zurückhalten. Spiel erlaubt das nicht. In dieser Hinsicht ist es gebieterisch. Spiel passiert nur mit unserem ganzen Einsatz. Es geht bei dieser gegenseitigen Beziehung nicht um die bekannten Details, sondern um alles auf einmal. Ich suche bei Angel nach Hinweisen. Sie hat es nicht eilig, mir Anhaltspunkte zu geben. Sie taxiert mich. Ich spüre ein aufgeregtes Kribbeln im Nacken und die erhöhte Wachsamkeit, die sich auch einstellt, wenn ich im Uferschlamm eines Baches frische Grizzlyspuren finde.

Angel sitzt vor mir. Meine Gedanken und Sorgen verschwinden. Ich gehe zu ihr hin und lege mich etwa einen Meter vor ihr auf den Boden, den Kopf auf die Hand gestützt. Ich versuche ihr Raum zu geben für eine winzige Geste der Annäherung oder des Rückzugs. Trotz dieser Vorsicht ist dieser eine Meter, der uns trennt, eine Kluft. Wir werden eine Brücke bauen. Die Besonnenheit, die damit verbunden ist, dass wir einfach präsent, wach und verletzlich sind, ist nahezu schmerzhaft.

Bei diesem Tanz lernen beide Spielgefährten voneinander

Spiel schließt sowohl unsere Körper als auch den Raum ein, der zwischen ihnen liegt. Diesen „Zwischen“-Raum nutzen und teilen wir miteinander, statt ihn zu besitzen oder zu kontrollieren. Er ist nicht leer, sondern voll potenzieller Energien. Beide Spielgefährten erschaffen ihn durch ihre Bewegungen, die Rückzug oder Einladung signalisieren – Pausen, Blicke, sich zurücklehnen, vorsichtige Annäherungen – und die, für Außenstehende fast unsichtbar, von äußerster Behutsamkeit sind. Bei diesem gemeinsamen Tanz der Spielgefährten lernen beide voneinander.

Zu Beginn sorge ich für einen sicheren Raum, in dem das Kind forschen und sich jederzeit zurückziehen kann. Angel bringt mir inzwischen die Kunst des Berührens bei, voller Liebe und ohne sich mit ihren Bewegungen zurückzuhalten. In der unausgesprochenen Syntax des Spiels weben wir gemeinsame Muster, ein kurzes Aufflackern von Augenkontakt, kreisende Armbewegungen. Augen, Hände, Arme und der ganze Körper dienen als Verbindungen, nicht der Kontrolle oder einschüchternden Gesten. Die Bewegungen lassen immer Raum für einander.

Eine intensive Stille, eher von Nicht-Tun als von Tun erfüllt, prägt diese ersten Augenblicke von Spiel. Die Ehrfurcht gebietende Intensität, mit der Spielgefährten sich dieser ersten Annäherung widmen, ist von äußerster Behutsamkeit und schwingt voller Herzenswärme und Vertrauen zwischen beiden hin und her.

Ihr Körper spürt meine Gedanken

Wir benutzen nur wenige Worte, forschen und tauschen uns mit leichten Bewegungen der Hände oder des Kopfes aus. Nicht, dass wir uns vordergründig beobachten – vielmehr bleiben wir ohne bewusste Anstrengung voll präsent. Jeder Nerv, jeder Muskel wird zum weiteren Auge. Wir geben unserem Körper keine Anweisungen, wir vertrauen ihm. Ich strecke meine Hand auf dem Boden zwischen uns aus und Angel schaukelt heftiger oder beugt sich weg.

Wenn ich den Gedanken fasse, unmerklich auf sie zuzugehen, weicht Angel nach hinten aus. Ihr Körper spürt meine Gedanken. Ich beuge meinen Kopf zurück und streiche über meinen Bart wie sie über ihr Gesicht.

Anfangs sind Spiel und Berührung zart, forschend und behutsam. Vorstöße erfolgen mit den Augen und den Fingerspitzen. Bei diesem Tanz sind die Spielgefährten ungewöhnlich wach und erforschen einander, halten Ausschau nach positiven Gemeinsamkeiten oder fühlen diese, erspüren Druck, Intensität, Rhythmus, Dauer und Festigkeit der gegenseitigen Berührungen. Dies ist eine wichtige Phase. Wir brauchen oft viel Geduld, um unsere Ängste und gesellschaftlichen Masken zu unterwandern.

Das Vertrauen von Spiel ist stärker als jede Unsicherheit

Wie der Einzug des Frühlings in Montana ist auch Angel zögerlich. Wer wirklich sehen kann, erspäht erste sparsame und flüchtige Anzeichen dafür, dass sie beginnt sich einzulassen. Immer wieder begegnen unsere Blicke sich für einen Moment, lösen sich schnell voneinander und wandern weiter. Dann wieder zögert Angel kurz und schaut mich gleich darauf voll an. Kurz darauf glimmt in ihren Augen ein fast unsichtbares Lächeln auf. Etwas – ein zerbrechlicher Wendepunkt – passiert zwischen uns. Wir öffnen uns wie Knospen im Frühling.

Dieses Spiel birgt ein Versprechen, eine Kraft, die spürbar aber nicht sichtbar ist und die wir uns gegenseitig bestätigen. Das Vertrauen von Spiel ist stärker als jede Unsicherheit.

Blicke, wobei die Hände noch Abstand halten, sind oft der erste Kontakt zwischen Spielgefährten. Sie öffnen die Tür, so dass, wer anwesend ist, „mein Haus als Gast betreten kann“, wie Joan McIntyre es formuliert. Dieser Spielblick ist klar und direkt, doch kein aggressives, zudringliches Anstarren. Die Augen sind dabei auch nicht ergeben gesenkt. Wenn der Blick klar ist, funktioniert er auf Anhieb richtig. Er stellt eine Verbindung her und ist dabei frei von Angst. Angst löst Zweifel aus, Zweifel ziehen Gedanken nach sich, Gedanken trüben den Blick. Der Spielblick ist ohne jedes Zögern. Nur so vermittelt er die Botschaft von Spiel unverfälscht.

Ich hebe sie hoch, wirbele sie herum, lasse sie hoch und runter hüpfen, umarme sie

Eine Veränderung hat stattgefunden, die sich in den nächsten Augenblicken allmählich beschleunigen wird. Plötzlich steht Angel auf und eilt auf den Rasen. Ich folge ihr und beginne wie ein ausgelassenes Fohlen um sie herum zu galoppieren, zu springen und zu hüpfen. Angels Lächeln wird eindeutiger, und sie fängt an mich zu jagen. Beide spüren wir, wie unser Spiel sich beschleunigt, während wir ausgelassen auf dem Rasen herumtollen. Dieses gegenseitige Anfeuern schafft eine wunderbare Verbindung zwischen uns. Wir beginnen beide laut zu lachen.

Ich ziehe Kreise, Schleifen und Achten um Angel, während ich um sie herumlaufe, hoch- und runterspringe. Ich renne rückwärts, bleibe mit ausgestreckten Armen stehen, eine Einladung an sie. Angel trottet lächelnd auf mich zu, wird langsamer und klemmt sich ihre Arme an den Körper, wie um mich auf keinen Fall zu berühren. Dann fängt sie an, mich ganz leicht anzustupsen, fast wie im Vorbeigehen. Später rennt sie in mich hinein, wenn ich so stehen bleibe. Dann lösen wir unsere körperliche Verbindung und fangen wieder an herumzulaufen.

Ich bleibe stehen, knie mich hin, lächele und strecke meine Arme nach ihr aus. Sie rennt hinein, dreht sich und schmiegt sich mit dem Rücken in meinen Schoß. Ich hebe sie hoch, wirbele sie herum, lasse sie hoch und runter hüpfen, umarme sie, schaukele sie, lasse mich mit ihr zu Boden fallen. Sie liegt auf mir, steht auf, geht um mich herum, zieht mich an den Händen hoch und drückt gegen meinen Rücken, um mir zu bedeuten, das gleiche noch einmal zu spielen. Sie spaziert herum, hebt meine Füße in die Luft und legt sich darauf, während sie meine Hände nimmt und mich anweist, sie wie ein Flugzeug zu halten. Gern sitzt sie auch auf meinem Rücken. Ich bin ihr Pferdchen und galoppiere mit ihr herum. Ich beuge mich vor und sie setzt sich auf meinen Kopf. Dann richte ich mich auf und lasse sie auf meinen Rücken gleiten.

Augenblicke, so flüchtig wie Sternschnuppen

Unser Austausch ist voller Energie, was nicht auf Techniken, sondern auf dem Vergessen jeder Technik beruht. Jeder Nerv, jeder Muskel wird zum weiteren Auge. Weil wir unserem Körper vertrauen, bewegen wir uns blitzschnell wie ein Schwert, fein wie ein Seidenfaden, der aus einem Kokon gezogen wird, oder anmutig wie ein Delphin, der ins Wasser taucht, hochspringt und sich in der Luft dreht.

Während wir auf dem Rasen herumtollen, umarmen wir uns immer wieder behutsam, sanft und flüchtig. Diese Umarmungen sind wie die gemütliche Ofenwärme inmitten eines heulenden Wintersturms, Augenblicke, so flüchtig wie Sternschnuppen und für den nicht Eingeweihten praktisch nicht wahrnehmbar. Wenn Angel sich hinsetzt, setze ich mich neben sie. Wenn ich mich nicht gleich hinsetze, greift sie hoch und zieht mich an den Händen zu Boden. Sie macht keinerlei Anstalten, sich abzuwenden oder wegzugehen.

Einmal, als wir so sitzen, pinkelt sich Angel in die Hose. Als sich auf dem Asphalt eine Pfütze bildet, schlägt sie mit den Händen in die nasse Lache. Bevor ich weiß, wie mir geschieht, mache ich sie nach. Sie lächelt, hält meine Hand und zieht mich hoch. Lachend rennt sie auf den Rasen und bedeutet mir, auf den Boden zu kommen. Ich gehe auf Hände und Knie. Angel reitet auf meinem Rücken, ihre Beine baumeln neben meinem Hals.

Hand in Hand gehen wir zurück

Wir spazieren zu einem großen roten Spielzeugauto, das auf einem riesigen, im Boden verankerten Gerüst steht. Angel steigt ein und bewegt sich schnell vor und zurück. Als ich die Hand ausstrecke, um ihre Fahrt zu verlangsamen, schlägt sie diese weg und sagt: „Nein!“

Ich staune, was sie alles wahrnimmt. Ein paarmal strecke ich meine Hand hinter ihrem Rücken aus, wo sie sie gar nicht sehen kann. Gerade als ich den Wagen berühren will, greift sie nach meiner Hand, um mich daran zu hindern. Dabei dreht sich Angel einmal langsam nach mir um, beugt sich aus dem Auto, berührt leicht mein Gesicht und küsst mich. Sie gibt mir genau die Liebe, die ich ihr geben wollte.

Sie schaukelt weiter in dem Auto, bis es Zeit wird, zu ihrer Mutter zu gehen. Sie wird langsamer und greift nach meiner Hand. Ich helfe ihr aus dem Wagen. Hand in Hand gehen wir zurück zur Schule.

 

Dieser Artikel stammt aus dem Buch Von Herzen spielen.